Warum Weltmeister nicht aus Österreich, sondern aus Holland kommen müssten

Der Boulevard, vor allem in Österreich, ist sich einig: AUT im Medaillenspiegel ohne Gold, so wie im Februar in Meribel/Courchevel, geht gar nicht. Unser Nachbarland empfindet das offenbar als Blamage, während jenseits der Grenze – auch in der Schweiz – die Schadenfreude überwiegt. Ist aber unfair, wenn man genau hinschaut, wer denn da fährt auf den präparierten Kunstschneepisten in Tirol. Denn die werden von den Einheimischen immer mehr als Aufstiegshilfen genutzt, bergab brausen vor allem die Gäste aus dem Ausland. Insofern wäre es logisch, wenn Holland oder Belgien die alpinen WM-Titel holten.

Ein Blick in den Berufsalltag von Wintersport-Journalisten zeigt: Sie sitzen in ihren Redaktionen und reisen mehr oder weniger häufig zu Weltcuprennen oder den Ski-WM´s – dort sehen sie aber nicht die Menschen, die den Skisport freizeitmäßig auf den Pisten betreiben.

Ein Blick auf die Nummernschilder an den Parkplätzen in den Tiroler Skigebieten zeigt die wahren Kräfteverhältnisse im Skisport: Dort herrscht die Farbe gelb vor, ergänzt mit Belgisch-rot. Dazu CZE, POL und SVK. Ok, die D-Schilder gibt’s auch noch, aber da fällt auf, dass die Kennzeichen wie RO, AIB oder MB anders ausgerüstete Menschen ausspucken als die Urlauberautos mit weiter Anreise. Leichte Schuhe, lange Stöcke und schmale Ski sieht man aussteigen, auch aus den Fahrzeugen der Einheimischen aus Kufstein und Kitzbühel.

Die erklimmen den Berg federnden Schrittes am Pistenrand – in einer langen Reihe wie am Everest im Schönwetterfenster, die Bergbahnen und Lifte nutzen derweil die Gäste – mit mehr oder weniger Höhenmetern am Ende des Tages in den Wadl´n.

Wer den Winter mit seiner Saisonkarte in den Kitzbüheler Alpen und der Skiwelt Wilder Kaiser Brixental verbringt und das täglich beobachtet, dem wird schnell klar, dass man Skiweltmeister nicht aus der ersten Gruppe erwarten darf. Eine Abfahrt am Tag mit Steckerlski statt Racecarvern kann nicht reichen für die Weltspitze in SL und RS.

Der herkömmlichen Pistenfahrer teilt sich also die Hänge mit Familien aus HOL, BEL, CZE, POL und GB, während ihm die Einheimischen aus Tirol und dem bayerischen Alpenraum bergauf entgegenkommen.

Noch immer boomt der alpine Skisport, die von den Tourengehern (eigentlich eher Pistenrandgeher) freigemachten Plätze werden 3-fach belegt mit Gästen aus den neuen Märkten in Osteuropa und den unermüdlichen Holländern. Sie sind die wahren Pisten-Freaks, haben gefühlt Ferien von Weihnachten bis Ostern. 17,5 Mio Einwohner zählt Holland, dazu 11,5 Mio aus Belgien machen knapp 40 Mio Skifahrer mit gefühlten 80 Skitagen im Winter. Längst sind sie eine alpine Großmacht und es wäre allmählich an der Zeit, von diesen Ländern WM-Titel einzufordern. Seit die Grachten nicht mehr zufrieren in Amsterdam, gibt´s Medaillen nicht mehr im Eisschnelllauf, sondern im Alpinen Skisport!

Ich beende die Skisaison traditionell am Ostermontag, so lange laufen meist die Lifte in der Skiwelt. Ich bin da seit Jahren alleine, niemand meiner Bekannten hat noch Lust bei Frühjahrssulz und 20° (Ausnahme heuer). Nur ich. Erst fahre ich Ski in Söll oder Brixen, dann am Nachmittag Wasserski am Hödenauer See in Kiefersfelden, das hat für mich was von „Californian way of life“. Auf dem Parkplatz im Tal sind nur noch wenige Autos, vielleicht bin ich ja der Letzte, der die Saison beendet.

Als ich mit der Gondel wieder unten ankomme, sind noch zwei Autos da. Beide haben gelbe Nummernschilder …

AM