Mein Relaunch als Skilehrer im Ski-Club Starnberg
Es ist gefühlt mitten in der Nacht, als mein Wecker klingelt. Wann bin ich das letzte Mal so früh aufgestanden? Zur Mondlandung, zum Kampf Ali vs. Frazier im Madison Square Garden, klar, das bleibt für immer haften in meiner Generation. Aber zuletzt? Am Schlusstag der Olympischen Spiele in Peking, um 03.00 Uhr zum Teamwettbewerb mit Lena und Linus. Mit der Option, mich gleich wieder hinzulegen, wenn sie gleich ausscheiden. Ich bin dann gerne bis halbsechs aufgeblieben, hab mit den Ski-Club Starnberg Trainerinnen Dani, Ingrid und Christoph gewhatsapped und bin dann glücklich wieder ins Bett.
Jetzt ist es 05.10 Uhr, es ist Samstag und ich werde aufbleiben, ausschlafen kann ich auch unter der Woche. Heute werde ich als Skilehrer einspringen, in der Ski Academy, weil ich eh mal mitfahren wollte, um darüber zu berichten. Als Peter Hegge mir von seinen Skilehrer-Engpässen erzählte, den kurzfristigen Ausfällen wegen Corona oder Quarantäne, hab ich an meine Zeit als Skischulleiter gedacht. Nach jedem Faschingsball habe ich gezittert, ob die Lustigsten des Abends auch dastehen am nächsten Morgen.
Ich habe Peter angeboten, einzuspringen. Nach Ehrwald soll es gehen, dort war ich noch nie, passt doch prima. Meine Quali hab ich ihm noch gesteckt: Staatliche Skilehrerprüfung 1977, im Ausbilderteam von Skilehrerverband und DAV von 1979-1990, dass ich aber schon noch privat kursle ab und zu. Peter wusste das wohl, hat sich aber vor allem gefreut, dass ich sowohl unterrichte als auch berichte. Der Journalist als Skilehrer oder der Skilehrer als Journalist oder der Pressesprecher als Skilehrer oder der Skilehrer als Pressesprecher.
Als erste Amtshandlung bekomme ich von Peter eine Ski-Club-Instructor Jacke, leider nicht die neue von Ziener, sondern eine ausrangierte von Spyder, die gefühlt zwei Kilo auf meine Schultern lädt.
Eigentlich ist es gar nicht schwer, so früh aufzustehen, wenn sich schon im Auto nach Starnberg ein wunderbarer Tag ankündigt, Brotzeit, Getränk, den frischen PCR Test hab ich dabei und pünktlich bin ich auch. 06.30 Uhr am Landratsamt, die ersten sind schon da, Peter, Claudia, Sophie und Amelie, mit denen ich schon telefoniert habe.
In der Gruppe „Ski Academy Lehrteam 21/22“, in die Peter mich aufgenommen hat, stehen alle organisatorisch relevanten Dinge: Pistenplan Ehrwald, Busbelegung, Gruppeneinteilung, Tischreservierung in zwei Schichten für mittags, Corona Check-in, Anamnesebogen-Kontrolle. Ich merke schon, da sind Profis am Werk, so etwas gefällt mir.
Am Abfahrtsplatz ist keine Hektik, 2 Busse, Peter hat alle Listen, Claudia begrüßt mich, erklärt mir das Procedere des Eincheckens und geht mit mir zum Schild „Gruppe 11“. Die Kids sollen 11-13 sein, aber vor mir stehen deutlich Ältere. Ich versuch’s mit einem Witz: „Für 11-13-jährige seit ihr aber schnell gewachsen“! Sofort kommt das Veto hinter mehreren Masken: „Wir sind 15, ich bin 14, Carlos ist schon 16“! Besser ernsthaft bleiben bei so einem sensiblen Thema, lerne ich. Die Gruppe besteht aus 7 Kids, fünf Mädchen und zwei Jungs und ich spüre gleich, dass sie sich freuen auf den gemeinsamen Skitag.
Der Busfahrer heißt Fred und er fährt schon seit 11 Jahren mit der Academy ins Gebirge, er macht es gerne, weil die Kinder nett sind und sonst auch alles passt. Diesmal sind die beiden Busse komplett voll, weil ein größerer an die ukrainische Grenze fährt, um Flüchtlinge abzuholen und nach Weilheim zu bringen. Am 12. März hat der Krieg auch das Busunternehmen Oppenrieder erreicht.
Claudia sitzt neben mir und ist mit ihren Listen beschäftigt, ich kenne das, vor allem das Abkassieren der Liftkarten, damit es vor Ort schneller geht. Wer hat die Tirol Card (kaum jemand, weil nur geimpfte Kinder sie kaufen durften), wer hat im Voraus bezahlt, wer ist wie alt? Heike und Katja haben die Buchungen ins System eingepflegt, das meiste ist längst vorbereitet. Vor Seeshaupt hat Claudia den Durchblick, schickt die Zahlen an Peter, der schon vorausgefahren ist und mit 87 Kinder- und 12 Erwachsenenkarten für die Lehrer auf uns warten wird.
Fred hat inzwischen eine Wunsch-DVD eingelegt. Claudia hat per Phonmessung abstimmen lassen und der Animationsfilm Madagascar hat gewonnen. Ziemlich kluge Tiere, die reden wie Erwachsene… ich denke an meine Buszeiten, als die Kinder immer Witze erzählt haben am Mikro, wobei es oft lang dauerte, bis der rauskam.
In Ehrwald sind wir um 08.45 Uhr und es geht alles ganz schnell. Meine Gruppe, das sind ganz offensichtlich die „Großen“ und von der Ausrüstung her keine Anfänger, Rutscher oder Bögerlfahrer. Eher Jugendliche, die nicht im Rennsport gelandet sind, aber Spaß am Skifahren haben und auch mal ohne Eltern mit Gleichaltrigen unterwegs sein wollen. Wir verlegen das nähere Beschnuppern nach oben, wollen rasch ins Skigebiet. Vorbei an den Schlangen an der Kasse, wir sind fix und schnell auf halber Höhe, dort wo wir später Mittagessen werden.
Oben angekommen, will meine Gruppe gleich die schwarze, sehr schmale und steile Piste fahren, der Schnee ist harschig nach kalter Nacht, erstmal einfahren wäre sinnvoller, aber das ist hier offenbar kein normaler Skikurs. Genauso ist es dann auch, bis auf ein paar Stellschrauben vielleicht. Kurzschwung im Steilen, da wird die eine oder andere Fahrt schon mal schneller, aber die Übungen mit den Stöcken quer, nach oben gehalten oder übergeben, das klappt alles.
Deshalb spreche ich das Thema Ausbildung zum Skilehrer an und es gibt überraschendes Feedback: Carlos, der gerade 16 geworden ist, hat sich in der Axamer Lizum beim Tiroler Skilehrerverband zum Skilehrer-Anwärterlehrgang angemeldet. Er habe gehört, der AUT-Skilehrer sei mehr wert, ist seine Begründung auf meine Nachfrage. Von da an sind wir im „Wie werde ich Skilehrer/In“-Modus. Auch Claire will möglichst schnell loslegen mit einer Ausbildung, noch bevor sie 16 ist. Sara fährt auch ohne eine Schulung so, wie man das in der Ausbildung vermittelt: Rhythmus, Radien, Fahrtempo stimmen.
Ich bestärke die Gruppe, auch Hanna, Liv, Johanna-Magdalena und Manolo haben schon darüber nachgedacht, aber sie wissen nicht recht, ob sie das können, wie man sich wo anmeldet usw. Wie man kleine Kinder unterrichtet, ob man sowas lernt – klar, sage ich und schaue jetzt auf die Feinheiten des hochwertigen Kurvenfahrens, wir üben Rhythmus- und Tempowechsel. Beim Fahren auf der Kante zeigt sich, wer irgendwann Skifahren trainiert hat, mir scheint, das sind alle. Die Kids wollen, dass ich sie filme und verbessere, am Ende werde ich die Aufnahmen allen schicken.
Zum Mittagessen sind wir überpünktlich, die Jugend hat mächtigen Hunger. Dank Claudias detaillierter WhatsApp Beschreibung „Durch die zentrale Schiebetür rechts nach den SB-Kassen die Reihe rechts am Fenster“ finden wir die anderen Gruppen auf Anhieb, sitzen aber nicht lange, weil meine Großen wieder hinaus wollen. Ich habe gelernt, dass die Pause wichtig ist, um den Tag durchzuhalten. In Ehrwald erlebe ich das Gegenteil: Auf den letzten Fahrten um halb vier geben alle nochmal richtig Gas, von Kräfteverschleiß keine Spur, den spüre nur ich.
Am Bus sind alle Gruppen pünktlich, Fred, unser Fahrer, hatte einen schönen Tag in der Sonne, wir haben noch ein paar Minuten. Der Betriebsleiter sieht unsere Busse und freut sich „Schön, dass ihr wieder da seid, das tut uns gut und ist so wichtig für uns“! Hört man oft in diesem Winter, aber so sind sie auch, die Tiroler. Tatsächlich ist es die erste Fahrt nach Tirol gewesen, wegen der Impfpflicht für Kinder konnte Peter das nicht machen.
In Starnberg sind wir wieder um 17.30 Uhr, pünktlich und jetzt ein bisschen müde. Peter strahlt mich an: „Na, wie war’s, hat’s Spaß gemacht“? Fast eine rhetorische Frage, natürlich hat es das und zwar richtig! Ich erzähle ihm, dass da eine ganze Gruppe gerne Skilehrer/in werden möchte, ein paar Eltern sind um uns rum und hören genau hin. Peter hat davon schon gehört und will auf jeden Fall im Herbst Sichtung und Lehrgang dazu anbieten. Man bleibt hoffentlich in Kontakt, denkt der Ex-Skischulleiter und Ausbilder in mir.
Alles geht nun schnell auseinander, am Abend bin ich echt kaputt, im Bus waren alle wach und gut drauf, da pennt niemand ein. Ein wenig muss ich daheim schon erzählen von meinem Tag als Skilehrer, ich kann ja ausschlafen am Sonntag. Ich will jetzt mal zum Early Bird Pistenspaß in Kitzbühel donnerstags um 07.30, Mondlandung und Fight of the Century sind über 50 Jahre her, da kann der Wecker ja wieder mal gefühlt mitten in der Nacht klingeln..
Axel Müller
SCS Academy Aushilfskraft