Die Auswirkungen der Energiekrise auf den Wintertourismus in den Alpen

Es ist Durchhaltevermögen gefragt: Viele Wintersportregionen leiden immer noch an den Folgen der Corona-Pandemie, während sie die Energiekrise bereits vor eine neue Herausforderung stellt. Strom wird teurer und alle sind gefordert, sorgfältig mit der knapper werdenden Energie umzugehen. Doch wie lässt sich das mit einem laufenden Wintertourismus vereinbaren und welchen Einfluss wird die Energiekrise auf den Wintertourismus und den Skibetrieb in den Alpen haben?

Liftbetreiber in allen Alpenländern stellen alle Bereiche des Skibetriebs auf den Prüfstand, um es trotz der Energiekrise erfolgreich durch die kommende Skisaison zu schaffen. Geschwindigkeit der Lifte drosseln, Betriebszeiten verkürzen? Weniger Gondeln einhängen, die Sitzheizung ausgeschaltet lassen? Dazu nur mehr kaltes Wasser in den Toilettenanlagen, dunkel bleibende Leuchtreklamen – es gibt viele kleine Stellschrauben, an denen gedreht werden kann. Meist ohne wirklich einschneidende Auswirkungen auf den Gast. Was jedoch für uns alle spürbar sein wird, sind die gestiegenen Skipasspreise.

„Wenn Menschen nicht Skifahren, machen sie auch nicht nichts. Netflix ist einer der größten Stromfresser im Freizeitverhalten“.

Netflix als größter Stromfresser in der Freizeit?

Andrea Fischer von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Innsbruck stellt sich die Frage nach den Alternativen. „Wenn Menschen nicht Skifahren, machen sie auch nicht nichts. Netflix ist einer der größten Stromfresser im Freizeitverhalten“, gibt die Forscherin zu Bedenken. Ein weiteres Argument: „Nur wer die Natur kennt, schützt sie“.

„Jede Konsumaktivität hinterlässt einen ökologischen Fußabdruck – selbst der Radausflug zum See. Es gibt praktisch keinen Urlaub ohne Nachhaltigkeitsaspekte“, betonte indes Volkswirt Gottfried Tappeiner, Studienbeauftragter des Masterstudium „Nachhaltige Regional- und Destinationsentwicklung“ an der Universität Innsbruck. Am stärksten fällt, wie man weiß, bei einem Skiurlaub die Anfahrt ins Gewicht. Diese verursacht- Zahlen des Umweltbundesamtes zufolge- meist mehr als die Hälfte der 231 Kilogramm, die pro Urlaubswoche im Schnitt an CO2 erzeugt werden – während das Skifahren selbst nur mit rund 42 Kilogramm zu Buche schlägt. Zweitgrößter Faktor ist die Unterkunft, wo sich vor allem das Heizen negativ auf den CO2-Ausstoß auswirkt.

Das Streitthema Schneekanonen ist aktueller denn je

Viele Skigebiete haben schon angekündigt, die Beschneiung zu reduzieren und im Falle des Falles die Pisten einfach weniger breit zu präparieren. Leider nutzen noch zu wenig Liftbetreiber Solaranlagen zur Energieversorgung der Schneekanonen – das soll jetzt mit Hochdruck angeschoben werden. So in Kitzbühel, wo man aber schon feststellen musste, dass Lieferung und Installation auf die Schnelle nicht möglich sind.

Skigebiete und Beschneiung – und der Karibikflug

Die Beschneiungstechnologie hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Heute werden für einen Kubikmeter Schnee nur mehr zwischen ein bis drei Kilowattstunden Energie benötigt. Pro Hektar und Jahr benötigt die Beschneiung rund 15.000 Kilowattstunden Energie. Rund 90 Prozent des Energieaufwandes für technischen Schnee stammen aus erneuerbaren Energiequellen, pro Skifahrer und Tag werden 4,2 Kilowattstunden benötigt. Zum Vergleich: Damit kommt ein PKW gerade mal sechs Kilometer weit. Ein Karibikflug (hin und zurück) mit 200 Passagieren braucht rund 1.500.000 Kilowattstunden – das entspricht der Beschneiung von 100 Hektar Piste pro Winter, einer Fläche so groß wie 140 Fußballfelder.

Skipasspreise steigen aufgrund der Energiekrise

Man hat es natürlich schon kommen sehen und trotzdem schmerzt es: Angesichts der steigenden Energiekosten muss man in den meisten Skigebieten deutlich mehr für den Skipass bezahlen. Damit findet man nun kaum noch ein größeres Skigebiet, dessen Liftpass unter der 60-Euro-Marke liegt, in Italien und in der Schweiz fällt die Preissteigerung noch höher aus.

Tourismus erholt sich frühestens 2023 vollständig von Corona

Die Urlaubsbranche kommt seit Beginn der Pandemie im März 2020 nicht zur Ruhe. Zuerst wurde das Geschäft durch Einreisebeschränkungen und Corona-Lockdowns gebremst, jetzt durch die massive Teuerung von Energie und Lebensmitteln infolge des Ukraine-Kriegs. Die Branche wird das Rekordminus der vergangenen zwei Jahre nach Berechnungen der Touristiker frühestens im kommenden Jahr ausgleichen können.

Hohe Treibstoffpreise verteuern die Pkw-Reisen, die höheren Lebenshaltungskosten dämpfen auch das verfügbare Einkommen und damit die Reisebereitschaft, vor allem einkommensschwächerer Gästeschichten. Im Sommer war die Beurteilung der finanziellen Situation der Konsumenten mit Blick auf die nächsten zwölf Monate auf den tiefsten Wert seit Erhebungsbeginn Mitte der 90er-Jahre gesunken – in allen westeuropäischen Ländern.

Seilbahnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz wollen gemeinsam eine nachhaltige Zukunft anpacken

Im Rahmen der D-A-CH-Seilbahntagung Anfang November 2022 in Innsbruck betonten die obersten Seilbahnvertreter aus Österreich, Deutschland und der Schweiz die enorme Verantwortung der Branche in den touristischen und alpinen Regionen. Die Corona-Pandemie und die aktuellen Themen Energiekrise, Teuerung und Einsparungsappelle hätten gezeigt, wie schnell und effektiv die Unternehmen auf sich verändernde Rahmenbedingungen reagieren müssen.

Hans Wicki: „Wirtschaftsmotoren der Berggebiete – Wohlstand sicherstellen“

Für Hans Wicki, Präsident Seilbahnen Schweiz, ist klar: «Bergbahnunternehmungen sind die Wirtschaftsmotoren in den Berggebieten. Sie generieren Arbeitsplätze und bieten damit eine Perspektive für die Region. Ein Franken Umsatz für die Bergbahn bedeutet sechs Franken Umsatz für die Destination“.

Franz Hörl: „Als Branche Vertrauen schaffen und Reputation gewinnen“

Franz Hörl, Obmann des Fachverbandes der Seilbahnen in der Wirtschaftskammer Österreich. «Was viele vergessen: Unsere Seilbahnen werden beinahe zu 100 Prozent mit heimischem Ökostrom betrieben, fossile Energieträger gehören bis auf wenige Ausnahmen der Vergangenheit an», betont Hörl.

Matthias Stauch: „Anerkennen unserer Leistung als attraktiver Arbeitgeber im Tourismus“

„Seilbahnen bieten vielfältige Arbeitsplätze in unterschiedlichsten Bereichen für jeden. So werden Abwanderung und tägliches Pendeln verhindert, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert, sowie das soziale Leben gefördert. «Mit uns werden aus strukturschwachen Gebieten starke und lebenswerte Arbeits- und Wohnorte. Arbeiten, wo andere Urlaub machen – das ist unser Motto“, so Matthias Stauch, Präsident des Verbands Deutscher Seilbahnen.

Nach Flugscham jetzt die Ski- und Bergscham?

Die Busreisepartner des SVM, Autobus Oberbayern und Geldhauser aus München haben seit Jahren zumindest eine Lösung für die Anreise und auch die Skigebiete rund um München bewerben die Anreise mit Bus oder Bahn. In Seefeld hält neuerdings sogar der ICE – auf dem Weg von Hamburg oder Amsterdam nach Innsbruck.

Alle derzeitigen Krisen auf den Skisport abzuwälzen und ihn ständig exemplarisch für den Klimawandel zu zitieren halte ich für nicht gerecht. Wintersport tut Körper und Seele gut – besonders in diesen Zeiten.

AM